Das ferne Land - historischer Roman by Bastei Lübbe

Das ferne Land - historischer Roman by Bastei Lübbe

Autor:Bastei Lübbe
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2014-04-03T04:00:00+00:00


Sie sagte kein Wort, sondern schob sich an ihm vorbei und half Pjotr beim Aufstapeln der Reisesäcke. Massimo hatte damit gerechnet, dass sie ihn mit Verachtung strafen würde, doch dass ihr Gesicht so überdeutlich ihre Abneigung widerspiegelte, traf ihn härter als erwartet. Er hielt inne und schluckte, bevor er einen neuen Anlauf nahm. »Hör zu, mir ist klar, dass du Harun und mich nachts an der Sammelstelle belauscht hast. Und ohne Frage wirft die Unterhaltung, die du angehört hast, kein gutes Licht auf mich.«

Jetzt verzerrte Wut ihr sonst so klares, ebenmäßiges Gesicht, und er merkte, wie schwer es ihr fiel, an sich zu halten. Hätte sie einen passenden Gegenstand zur Hand gehabt, hätte sie ihn zweifellos damit beworfen. So begnügte sie sich damit, den Sack mit Erbsen, den sie gerade von Pjotr entgegennahm, in hohem Bogen auf die übrigen Vorräte zu schleudern.

Auch wenn er es ihr gegenüber so darstellte, war ihm keineswegs von Anfang klar gewesen, dass sie die Unterredung belauscht hatte. Das war ihm erst am zweiten Tag nach dem Aufbruch gedämmert, als er den unbeholfenen Versuch unternommen hatte, sich mit ihr zu unterhalten. Vorher war ihm das nie richtig geglückt, weil sie während jeder Rast entweder pausenlos mit Zorzi oder mit dem neunmalklugen Bruckner geredet oder in ihrem Zelt geschlafen hatte. Er war buchstäblich nicht an sie herangekommen und musste die Gelegenheit, sie anzusprechen, regelrecht abpassen. Als es ihm endlich gelungen war, hatte er sie lediglich in aller Liebenswürdigkeit gefragt, ob sie wohlauf sei, und da hatte sie ihm einen Blick zugeworfen, bei dem es ihm kalt über den Rücken gelaufen war. Sie hatte gar nichts weiter sagen müssen – was sie ohnehin nicht getan hatte. Sie war einfach wieder in dieses vermaledeite Zelt gekrochen und hatte sich tot gestellt. Weitere Möglichkeiten, mit ihr zu reden, hatte sie ihm nicht gegeben. Seit sie in Suez waren, ging sie ihm beharrlich aus dem Weg und sorgte im Übrigen dafür, dass immer jemand bei ihr war – entweder Pjotr oder Jokasta oder einer ihrer beiden hartnäckigen Verehrer.

»Ich kann das alles erklären«, versuchte er es erneut, ohne auf Pjotr zu achten, der ihn argwöhnisch musterte. »Zuallererst musst du wissen, dass ich nicht das bin, was du denkst.« Also kein Lügner, kein Betrüger, kein Spion, fügte er stumm, aber mit beredter Miene hinzu. Das Problem war nur – er war es sehr wohl, und zwar alles davon. Und noch größer war das Problem, ihr begreiflich zu machen, dass es sich dennoch anders verhielt, als sie annahm.

»Wenn du mir nur einmal richtig zuhören würdest …«

Doch genau dazu war sie ganz offenkundig nicht bereit, denn sie marschierte mit großen Schritten an ihm vorbei zum Landungssteg und verließ das Schiff. Widerstrebend sah er davon ab, ihr zu folgen, denn gerade gesellte Jokasta sich zu ihr und warf ihm einen unwägbaren Blick zu, bevor sie ausgiebig das Schiff in Augenschein nahm. Massimo war sich nicht sicher, wie viel sie wusste, doch vorläufig musste er davon ausgehen, dass Katharina sie in ihre neuen Erkenntnisse eingeweiht hatte. Allerdings schien Jokasta ihn nicht für einen ganz so üblen Schurken zu halten, wie Katharina es tat.



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